ROLLSTUHLTENNIS
MAXI TAUCHER

"...mein Ziel sind die Paralympischen Spiele!"

Maxi Taucher

MAXI TAUCHER | Harte Arbeit, Talent und ganz viel gute Laune

Thomas Flax | www.obsv.at | 09.02.2023

Der Vorarlberger Maximilian Taucher startet gerade im Rollstuhltennis durch. Als 14-Jähriger zieht er bei den US Open ins Halbfinale bei den Junioren ein, gewinnt bei den Herren seinen ersten ITF-Titel im Doppel und holt sich in Oberpullendorf zusammen mit seinem Idol Nico Langmann den Staatsmeistertitel. Was steckt hinter seinem Erfolg? Mentor und Trainingspartner Thomas Flax über einen vielversprechenden Nachwuchssportstar.

September 2022, New York City, Juniorenwettbewerb der US Open der Rollstuhltennisspieler: Einem dunkelblonden Bub rollen Tränen über die nassgeschwitzten Wangen. Das Gesicht ist in ein weißes Handtuch vergraben. Der Bub ist Maximilian Taucher. Mit einem Rad schien er zusammen mit seinem Doppelpartner Andrew Penney aus England bereits im Endspiel zu stehen. Nach knapp zwei Stunden Spielzeit fehlen den beiden Freunden nur zwei Punkte zur Sensation. In diesem Moment ist Maximilian Taucher allerdings kein weinendes Kind, das ein Spiel verloren hat.

Er ist ein junger Vollblutsportler, der um eine verpasste Chance trauert. Mit erst 14 Jahren ist der Hohenemser einer der weltbesten Nachwuchsspieler. Bei der Premiere des Juniorenwettbewerbs des Grand-Slam-Turniers schreibt er mit seinem Halbfinaleinzug im Einzel und dem verpassten Finale im Doppel österreichische Sport-Geschichte.

Erste Schritte, erster Rollstuhl

"Er hatte schon immer diesen Bewegungsdrang", erinnern sich Maximilians Eltern an jene Zeit zurück, als an Sport nicht zu denken war. "Wir haben jede Woche bis zu drei Hosen für den Maxi gebraucht, die Oma war ständig am Flicken", muss der Papa lachen. Denn laufen kann das erste Kind von Elke und Alexander damals nicht, "aber krabbeln, und er wollte unbedingt überall mit dabei sein". Für die Nachbarskinder und seine zweieinhalb Jahre jüngere Schwester Lia spielt Maxis Behinderung keinerlei Rolle. Bewegte Blicke tauscht das Paar aus, als sie von den ersten Schritten ihres Sohnes erzählen.

Speziell angefertigte Krücken, ein selbstgebauter Gehbarren im Wohnzimmer und Physiotherapie ließen den Traum vom Laufen überraschenderweise wahr werden. "Als Maxi dann sieben wurde, war uns aber klar, dass wir einen Rolli für ihn brauchen." Denn sogar schlichte Gehhilfen vermag der Wirbelwind im Handumdrehen in Sportgeräte zu verwandeln, springt damit über Stufen, durch den Garten und kennt, mehr hüpfend als gehend, auch vor dem Fußballplatz keinen Halt.

Auf Dauer wäre das seiner Gesundheit aber alles andere als zuträglich, sind sich Ärzte und Eltern in diesem Fall einig. Mit Unterstützung von Gabriela Merz, der Übungsleiterin des Vorarlberger Rollstuhlclubs, lernt Maximilian in der Kindersportgruppe, wie er sein neues Werkzeug richtig auf Touren bringt. Zusammen mit seinen neuen Freunden Martina und Kilian flitzt er durch die Hallen im Dornbirner Olympiazentrum, und schon bald wächst er zum vielversprechenden Nachwuchssportler heran.

Maxi Taucher & Max Forer bei den US Open 2022

Von Hohenems in die weite Welt

An einem verregneten Novembersamstag 2015 verabreden sich Maximilian und seine Rolli-Kids. Gemeinsam will man sich die Staatsmeisterschaften im Rollstuhltennis anschauen. Maxi, acht Jahre alt, begeistert sich zu dieser Zeit nur für die rauschende Geschwindigkeit der Monoskibob-Fahrer und die nicht weniger schnellen Handbiker. Doch was er da an jenem Samstag in der Messehalle sieht und spürt, verändert alles: die harten Schläge und die intensiven Duelle der international gefeierten Rollstuhltennis-Legende Martin Legner und des damals 18-jährigen Nico Langmann begeistern Maximilian.

Von da an hört man ihn sagen: "Nico ist mein großes Vorbild, und mein Ziel sind die Paralympischen Spiele!" Einer, der dieses Feuer auf Anhieb bemerkt, ist ein Rollstuhltennisspieler aus Vorarlberg: ich, der Autor der Geschichte, Thomas Flax. So kommt es, dass ich ihm die ersten Bälle zuspiele. Und ich bin bis heute als Mentor und Trainingspartner an seiner Seite. Maximilians Entwicklung lässt mich immer wieder staunen. Gerade noch zeigt man ihm, wie man den Schläger bei der Rückhand richtig hält, und kurz darauf muss man alles geben, um nicht als Verlierer vom Platz zu rollen.

Ich weiß von Anfang an um das Potenzial von Maximilian, war ich doch auch bei Paralympics, kenne das internationale Niveau im Rollstuhltennis. Wendig, willig und erfolgshungrig tastet er sich an Gegner und Matches heran, kürt sich 2018 erstmals zum Juniorenstaatsmeister und wird zum internationalen Trainingscamp der Cruyff-Stiftung in die Niederlande eingeladen. Dort zeigt sich Papa Alexander beeindruckt: "Da saßen Kinder aus sieben Nationen gemeinsam an einem Tisch und lachten lauthals – stundenlang." Und wieder scheinen es die Freundschaften zu sein, die der Sport neben der anwachsenden Sammlung an Trophäen mit sich bringt und die dem Teenager so viel bedeuten.

Man muss wissen, dass die Tage daheim mit Blick auf die Schule nämlich nicht immer einfach sind. Barrieren in unterschiedlichsten Formen, ob in Köpfen, in Gebäuden oder im Handeln, fordern Maximilian und seine Familie regelmäßig heraus. Da kommen Gleichgesinnte mit gegenseitigem Verständnis und Respekt füreinander gerade recht. Mit den Sportkollegen quer über den Globus bleibt man über Instagram und Co in Kontakt. Auch trifft man sich fortan mehr und mehr auf den Turnieren des internationalen Tennisverbands für Junioren in der Türkei, in Belgien oder den Vereinigten Staaten.

Immer das Beste daraus machen

Erst im achten Monat der Schwangerschaft werden die Eltern mit der Diagnose konfrontiert, ihr Kind habe Spina bifida. Mit Spezialisten in Innsbruck wird alles in die Wege geleitet, man solle sich keine Sorgen machen. Doch es kommt anders: Maximilian verbringt die ersten drei Monate seines Lebens auf der Intensivstation und muss etliche Male operiert werden. Mama Elke: "Wir haben es so angenommen, wie es war, und immer versucht, das Beste daraus zu machen." Mit seiner stärksten Eigenschaft, die Maximilian mitbringt, geht die Familie gemeinsam durch diese schwere Zeit, und knappe 15 Jahre später findet sein Trainer Max Forer die exakt gleichen Worte dafür. "Der Maxi ist einfach immer gut drauf", bringt es der sympathische Südtiroler Tenniscoach auf den Punkt. Bei fünf Trainingseinheiten pro Woche wäre es nach Forer nur normal, dass man auch mal schlechte Laune auf den Platz mitbringt.

Bei seinem Vorzeigeschüler gibt es das nicht. "Maxi ist immer motiviert und hat ein Lächeln im Gesicht", was neben seiner Schnelligkeit und Power bestimmt zu den Säulen seiner Erfolgsgeschichte gehöre, meint der Leiter der Professional Tennis School mit Stützpunkten in Hohenems und Götzis. Seit eineinhalb Jahren trainiert Maximilian bei dem 35-Jährigen. Einzelstunden und gemeinsame Gruppentrainings mit dem gehenden Tennis-Nachwuchs stehen dabei auf dem Programm. Im Frühling 2021 spricht ihn Vater Alexander an, unbedingt möge er mit ihm an Maximilians internationaler Sportkarriere arbeiten.

Der Verantwortung und Aufgabe mehr als bewusst, erbittet sich Forer eine Woche Bedenkzeit. "Ich mache das nur, wenn ich es zu hundert Prozent machen kann", so Forer. Er hält Wort, Training und Entwicklung nehmen Fahrt auf, und mit der Teilnahme des "Team Taucher" an den Junioren-Masters im französischen Tarbes im Jänner 2022 und der Einladung zum Major in New York ist das gemeinsame Ziel der kommenden Jahre für alle, die daran beteiligt sind, klar. Denn Maximilian ist nicht allein, wenn er mit sicherer Stimme sagt: "Ich will die Nummer eins der Junioren-Weltrangliste werden und später in die Top 20 bei den Herren!"